So kennt mich das Friedhofspersonal in Kaiserslautern. Zwei wichtige Besonderheiten haben die Leute damit erkannt:
Meine Arbeit ist überregional. Ich bin für die ganze Pfalz zuständig.
Und ich benütze die Gebärdensprache für die Kommunikation.
Aber erst mal der Reihe nach: Mein Name ist Friedhelm Zeiß und ich bin Beauftragter für Gehörlosenseelsorge in der Evangelischen Kirche der Pfalz. Ich mache die Arbeit jetzt seit 20 Jahren. Dazu gekommen bin ich aus familiärer Betroffenheit: Meine Frau und ich haben 4 Kinder und der älteste Sohn ist seit Geburt gehörlos. Heute ist lebt er als Diplom-Sozialarbeiter mit eigener Familie in Berlin. Die Erfahrungen mit dieser speziellen Behinderung in der eigenen Familie waren nicht immer einfach, kommen mir aber in meiner Arbeit sehr zugute.
Gehörlose (taube) Menschen sind eine Minderheit, etwa 1 Promille der Bevölkerung. In Großstädten ist der Anteil etwas höher, in ländlichen Gebieten geringer. Auf Frankenthal hochgerechnet leben hier dann etwa 50 gehörlose Menschen, wahrscheinlich etwas mehr, weil durch die Schule viele hier hängen geblieben sind.
Taub sein ist mehr, als nur nicht hören können. Wenn man sich die Ohren zuhält, hat man noch lange keine Vorstellung, wie es ist, ohne Gehör zu leben.
Es gibt zwei falsche Vorstellungen dazu. Die einen sagen: „Ach Gott, die armen Menschen! Was für ein schlimmes Schicksal!“ Das ist Quatsch. Gehörlose Menschen sind fröhlich und traurig, fahren Auto und Motorrad, nutzen die neuen Medien mit SMS, Videochat und Whatsapp. Sie treffen sich mit Freunden, fliegen durch die Welt, heiraten, haben Familie oder lassen sich scheiden. Also alles ganz normal. Viele Gehörlose sagen: Ich fühle mich nicht behindert, ich lebe ganz normal, nur brauche ich für die Kommunikation mit hörenden Menschen Unterstützung, weil diese leider keine Gebärdensprache können. (Viele hörende Menschen sind an dieser Stelle sprachbehindert.)
Andere denken: „Na ja, ist gar nicht so schlimm, wenn man nichts hört, alles andere funktioniert ja.“ Da wird schnell übersehen, dass am Hören viel dran hängt. Vor allem wenn man so aufgewachsen ist. Wir übersehen leicht, wie viel wir nebenbei über das Gehör mit bekommen. Beim Autofahren, Kochen, Putzen, Baden… hören wir Radio. Da erfährt man ganz viel einfach so nebenbei. Wenn wir über die Straße gehen, folgen wir oft dem Gehör. (Bei immer mehr Elektroautos und Fahrrädern kann das gefährlich sein.) Bevor ich das Haus verlasse, habe ich schon gehört, wie der Regen aufs Vordach prasselt - also nehme ich den Schirm mit. Wenn im Frühling die Vögel munter pfeifen, wirkt sich das sofort auf meine Stimmung aus. Gehörlose Menschen bekommen vieles nicht mit und müssen sich ihre Informationen bewusst und zeitintensiv holen. Deshalb ist die Allgemeinbildung oft weniger ausgeprägt. (Wie wichtig wären da mehr Untertitel und Gebärdendolmetscher im Fernsehen, Videofilme in Gebärdensprache auf den Homepages von Kommunen, Parteien, Kirchen…). Bei manchen klappt auch das Lesen nicht gut, weil der Wortschatz fehlt und das Lesen in der Schule zu kurz gekommen ist.
Meine Arbeit ist deshalb eine Mischung aus Beratung, Seelsorge, Dolmetschen, Lobbyarbeit und Gemeindearbeit. Ich mache Gottesdienste meist in Verbindung mit den monatlichen Versammlungen der Gehörlosenvereine. Ich mache Taufen, Trauungen und Beerdigungen von Gehörlosen oder ihren Angehörigen. Das geschieht dann in der Gebärdensprache, oft auch mit Beamer und visuellem Material.
Allerdings habe ich kein eigenes Pfarramt. Das heißt, die evangelischen Gehörlosen sind an ihrer Wohnortgemeinde gemeldet, tauchen da aber selten oder nie auf, weil sie eh nichts verstehen. Ich muss mir also viele Kontakte selber aufbauen. Das mache ich auch über Radtouren, Wanderungen, Freizeittreffen, Familienarbeit…
Dolmetscher: Oft werde ich gebeten bei wichtigen Gesprächen zu dolmetschen. Gebärdendolmetscher sind teuer und nicht immer ist ein Kostenträger da. Dann springe ich ein, wenn es die Zeit erlaubt. Manchmal auch für einen Mann der taub und blind zusammen ist. Da geht die Kommunikation dann über das „Lormen“. Ich mache Punkte und Striche auf die Hand und der Betroffene versteht das rasend schnell.
Wo gehörlose Menschen am öffentlichen Leben und auch an kirchlichen Veranstaltungen teilnehmen wollen, bin ich oft dabei. Zum Bespiel haben zwei gehörlose Familien ihre Kinder in einer Kita in Lambsheim. Die Kita ist total aufgeschlossen und tut alles, damit diese Familien sich wohl fühlen - wirklich vorbildlich. Und ich bin bei vielen Veranstaltungen dabei, vermittle und übersetze, damit die gehörlosen Eltern alles mit bekommen und die anderen Eltern die gehörlosen Eltern als interessante Persönlichkeiten kennen lernen.
Altenarbeit: Wenn Gehörlose gebrechlich werden und nicht mehr aus dem Haus können, sind sie von der Welt abgeschnitten. Sie können sich nicht mehr mit anderen treffen und unterhalten. Wenn sie im Altenheim sind, können sie sich mit niemand richtig unterhalten, sie verstehen das Pflegepersonal nicht und umgekehrt. Das ist wie lebendig begraben. Da bin ich dann oft unterwegs um diesen Menschen wenigstens einen kurzen Lichtblick zu schenken, mehr ist meistens nicht drin.
Lobbyarbeit: Zum Beispiel gibt es in der Klinik in Frankenthal jeden Monat einen interessanten Vortrag zu gesundheitlichen Themen. Gehörlose Menschen waren davon ausgeschlossen, bis es mir in Zusammenarbeit mit dem Sozialdezernenten der Stadt gelang, Dolmetscher für die Vorträge zur Verfügung zu stellen. So lade ich jeden Monat speziell die gehörlosen Menschen in FT zu den Vorträgen ein, sammle die Anmeldungen und sage die Dolmetscher ab, wenn sich weniger als 5 Leute angemeldet haben. (Was zum Glück bisher noch nicht vorgekommen ist.)
Alles zusammen: Ich fasse meine Arbeit gern so zusammen: Ich möchte einfach bei den Menschen sein, ihren Weg mit gehen und da sein, wenn sie mich brauchen. Ein Kollege hat das mal mit einem schönen Bild beschrieben: Unsere Arbeit ist wie ein Schweizer Taschenmesser: Da sind verschiedene Werkzeuge dran, aber alle sind unvollkommen: Die Säge ist nicht so gut, wie die in meiner Werkstatt zu Hause; das Messer schneidet nicht so gut, wie das in der Küche; die Feile, die Pinzette, der Flaschenöffner…. alles nichts für professionelle Arbeit. Aber wenn man unterwegs ist und dringend was braucht ist es Gold wert. Ich bin kein Sozialarbeiter, kein Dolmetscher, kein Familienberater, kein Altenpfleger… Aber wenn ich gebraucht werde, bin ich da und tue was ich kann.
Herausforderung: Alles was ich sage, muss zeigbar und greifbar sein. Gebärdensprache ist erbarmungslos gegen leere Phrasen und Worthülsen. Ich kann nur das sagen, von dem ich überzeugt bin, dass es wahr ist und dem Anderen hilft. Gebärdensprache besteht nicht nur aus den Zeichen und Bewegungen, sondern auch aus der entsprechenden Mimik. Gehörlose erkennen sofort, wenn das nach außen Gesagte nicht auch innere Überzeugung ist. Wenn ich über biblische Texte predige, muss ich sie erst mal elementarisieren. Große Begriffe muss ich in kleine Schritte zerlegen und Schritt für Schritt nachgehen. Dabei tauchen manchmal verborgene Schätze auf.
Ein Tipp zum Schluss: Gebärdensprache ist ganzheitliche Sprache. Der ganze Körper ist beteiligt. Hörende Besucher zum Beispiel beim Motorradgottesdienst sagen mir oft: „Das geht ganz tief rein.“ Probieren Sie das doch mal aus beim Beten! Stellen Sie sich locker hin und versuchen Sie, mit dem ganzen Körper zu beten: Mit Mimik, mit Richtung, mit Haltung, mit Arm- und Handbewegungen. Vielleicht geht es Ihnen dann wie mir: Die Worte treten in den Hintergrund oder verschwinden ganz. Gleichzeitig bin ich Gott näher als sonst und fühle mich ganz tief verstanden.
Gehörlosenseelsorge
De Parre wo mit em Motorrad kummt unn die Zeichesproch macht
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